Willkommen zu unserer neuen Serie, den Zielgruppen Insights. Hier präsentieren wir in regelmäßigen Abständen Zahlen, Daten, Fakten und interessantes Wissen rund um sämtliche Communities in Österreich.
Den Beginn machen die Zielgruppen Insights zur türkischen Community in Österreich. Hier erfahren Sie aktuelle Zahlen sowie spannenden Informationen rund um die „Austro-Türken“ als MitarbeiterInnen bzw. BewerberInnen und als KonsumentInnen.
6 Short-Facts über die Türkische Community
Fakt 1: 116.838 Menschen in Österreich haben eine türkische Staatsangehörigkeit
116.838 Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit lebten zum Stichtag 1. Jänner 2017 in Österreich.
Im Vergleich zu anderen MigrantInnengruppen in Österreich ist der Anteil der österreichischen Staatsangehörigen unter den Menschen mit türkischem Migrationshintergrund groß. Während nur rund 41 % der türkischen MigrantInnen die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, sind 59 % österreichische Staatsbürger.
Die Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit sind eher der ersten Generation von MigrantInnen zuzuordnen. Von der zweiten Generation haben nämlich lediglich 28.700 (24 %) eine türkische Staatsbürgerschaft.
Fakt 2: 160.371 Personen in Österreich wurden in der Türkei geboren
Zum Stichtag 1.1.2017 lebten 160.371 Menschen, die in der Türkei geboren wurden, in Österreich. Davon lebt der Großteil, nämlich 66.902 (42 %) in der Hauptstadt. Sie werden der ersten Generation von Menschen mit Migrationshintergrund zugeordnet.
Fakt 3: 118.700 Menschen in Österreich haben einen türkischen Migrationshintergrund zweiter Generation
Rund 118.700 Personen haben laut der Definition der Statistik Austria einen türkischen Migrationshintergrund zweiter Generation. Das bedeutet, beide Elternteile wurden in der Türkei geboren.
Die exakten Zahlen hängen von der Definition des Begriffs „Migrationshintergrund“ ab.
Fakt 4: Insgesamt haben 3,2 % der Menschen in Österreich türkischen Migrationshintergrund
Wenn man nun Personen der ersten und zweiten MigrantInnengeneration aus der Türkei erfasst, ergibt sich, dass insgesamt rund 279.071 Personen mit türkischem Migrationshintergrund in Österreich leben. Das entspricht rund 3,2 % der österreichischen Gesamtbevölkerung.
Fakt 5: Der Großteil der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund lebt in Wien
Der Großteil der Austro-TürkInnen, nämlich 40 % aller Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, lebt in Wien, gefolgt von Niederösterreich und Oberösterreich (mit jeweils ca. 13 %). Den kleinsten Anteil türkischer BewohnerInnen haben die Bundesländer Burgenland und Kärnten mit jeweils einem Anteil von 0,7%.
Fakt 6: Rund 114.120 Muslime in Österreich stammen aus der Türkei.
Der Großteil der in Österreich lebenden Muslime hat einen Migrationshintergrund in der Türkei (114.120 muslimische TürkInnen). Lesen Sie hier mehr zum Thema Islam und Muslime in Österreich.
Dieser Faktencheck bietet eine Übersicht über relevante Zahlen zu den unterschiedlichen Merkmalen, die in Bezug auf Migration statistisch erhoben werden. Wie Geburtsland, Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund definiert werden, erfahren Sie hier.
Türkischstämmige Menschen als BewerberInnen und MitarbeiterInnen
Im HR-Bereich gilt es, BewerberInnen mit türkischem Migrationshintergrund diskriminierungsfrei zu begegnen, um die Potenziale von MitarbeiterInnen mit türkischem Migrationshintergrund zu nutzen. Doch welche Voraussetzungen bringen Menschen mit Migrationshintergrund in der Türkei mit und was muss bei HR-Prozessen beachtet werden?
Bildungsstand
Der Bildungsstand der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund ist schlechter als jener der Personen ohne Migrationshintergrund. Im Jahr 2016 hatten 61 % der türkischstämmigen Personen zwischen 25 und 64 Jahren einen Pflichtschulabschluss und 26 % haben eine Lehre oder BMS abgeschlossen. 9 % hatten den Abschluss einer AHS, BHS oder eines Kollegs. Lediglich 4 % haben einen Hochschulabschluss (Universität, FH, Akademie). Im Gegensatz dazu haben bei den Personen ohne Migrationshintergrund 18 % ein abgeschlossenes Studium. Damit einher geht auch die Anerkennung der Berufsausbildung. Im Jahr 2016 haben 6 % der Menschen, die in der Türkei geboren wurden und in Österreich leben, einen Antrag auf die Anerkennung ihrer Berufsausbildung gestellt.
Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit
Die Erwerbstätigenquote von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund im Alter von 15 bis 64 Jahren lag 2016 bei insgesamt 55 %, während sie bei Personen ohne Migrationshintergrund derselben Altersgruppe bei 74 % lag. Dieser Unterschied ergibt sich dadurch, dass im Jahr 2016 von der türkischstämmigen Bevölkerung nur 42 % der Frauen erwerbstätig waren. Frauen ohne Migrationshintergrund hatten im Gegensatz dazu eine Erwerbstätigenquote von 71 %.
Demnach lag die Arbeitslosenquote im Jahr 2016 von Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit laut AMS Österreich bei knapp 20 %, während die Arbeitslosenquote von österreichischen StaatsbürgerInnen bei 8 % lag.
Der Großteil der erwerbstätigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund (61 %) sind als ArbeiterInnen beschäftigt. 32 % arbeiten als Angestellte, Beamte, Vertragsbedienstete oder freie Dienstnehmer. Bei Personen ohne Migrationshintergrund ist das Verhältnis nahezu umgekehrt. Hier gibt es ca. 22 % ArbeiterInnen und 65 % Angestellte, Beamte, Vertragsbedienstete oder freie Dienstnehmer.
Tipps für HR-Prozesse mit türkischstämmigen BewerberInnen und MitarbeiterInnen
MitarbeiterInnen mit türkischem Migrationshintegrund stellen für viele Unternehmen eine bedeutsame Ressource dar, da sie auf türkische KundInnengruppen sowowhl sprachlich als auch kulturell eingehen können.
Um die passenden MitarbeiterInnen zu finden und einen kulturfairen Rectruitingprozess zu gewährleisten, müssen klassische Vorgehnsweisen mitunter überdacht werden.
Beispielsweise ist die Erreichbarkeit von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund über „klassische Kanäle“ schwierig. Eine bedeutsame Rolle spielt bei Menschen aus der Türkei der Multiplikatoreneffekt sowie Empfehlungen aus persönlichen Netzwerken.
Laut einer Erhebung der GfK fühlen sich zwar 80 % der aus der Türkei zugewanderten Personen in Österreich „völlig heimisch“ oder „eher heimisch“. Trotzdem geben rund 50 % der in Österreich lebenen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund an, sich „immer, meistens“ oder „eher schon“ benachteiligt zu fühlen, weil sie ZuwandererInnen sind. Auch am Arbeitsmarkt zeigt sich, dass Menschen mit türkischen Namen diskriminiert werden.
Diese Diskriminierung kann gleich beim Bewerbungsprozess umgangen werden, indem ein kulturfaires Auswahlverfahren implementiert wird. Das kann unter anderem durch ein Mehr-Augen-Prinzip, standardisierte Checklisten, anonymisierte Bewerbungsunterlagen und zahlreiche weitere Maßnahmen erfolgen.
Terminhinweis: Weitere Tools und Maßnahmen, wie Sie Ihre Recruitingprozesse diskriminierungsfrei gestalten können, erlernen Sie am 13. Februar 2018 in unserem kulturfit-Training.
Auch auf besetehende MitarbeiterInnen mit türkischem Migrationshintergrund sollte im Sinne einer positiven ArbeitnehmerInnenbeziehung Rücksicht genommen werden. Aufgrund der muslimischen Religionszugehörigkeit vieler TürkInnen haben Fest- und Feiertage unterschiedliche Bedeutung, was sich auf die Urlaubsplanung auswirkt. Während es türkischstämmigen Menschen möglicherweise nichts ausmacht, rund um die Weihnachtsfeiertage zu arbeiten, möchten diese vielleicht eher zu den Feierlichkeiten im Ramadan Urlaub machen.
brainworker Tipp: Nicht außer Acht zu lassen sind – neben den eigenen (potenziellen) MitarbeiterInnen – auch UnternehmerInnen mit türkischem Migrationshintergrund. Denn 7,2 % aller Personen mit türkischem Migrationshintergrund sind selbstständig. Das entspricht rund 20.000 türkischstämmigen UnternehmerInnen in ganz Österreich, wobei deutlich mehr Männer als Frauen mit türkischem Migrationshintergrund selbstständig erwerbstätig sind. Diese UnternehmerInnen können, einerseits als Kunden und andererseits als Lieferanten und Partner, eine bedeutsame B2B-Zielgruppe für Ihr Unternehmen darstellen.
Türkischstämmige Menschen als KonsumentInnen
In Bezug auf die Konsumdaten von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund gibt es zahlreiche signifikante Unterschiede, die größtenteils kulturell bedingt sind.
Während die Haushaltsgröße in Österreich bei Personen ohne Migrationshintergrund bei durchschnittlich 2,14 Personen pro Privathaushalt liegt, haben Haushalte von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund im Durchschnitt 3,36 Mitglieder. Das liegt daran, dass bei türkischen Familien häufig mehrere Generationen unter einem Dach wohnen.
Mit der Haushaltsgröße korreliert auch die zur Verfügung stehende Wohnfläche pro Person. Menschen ohne Migrationshintergrund haben in Österreich im Schnitt 49m² pro Person zur Verfügung, während Menschen mit Migrationshintergrund in der Türkei nur rund 23m² Wohnfläche pro Person haben.
Nur 20 % der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund haben Wohneigentum in Form einer Wohnung oder eines Hauses, während knapp 80 % in einer Mietwohnung leben. Im Gegensatz dazu stehen bei Personen ohne Migrationshintergrund 55 % mit Wohnungseigentum und 35 % in Mietwohnungen.
Das Jahresnettoeinkommen türkischer Staatsangehöriger in Österreich liegt deutlich unter dem österreichischer Staatsbürger. Während ÖsterreicherInnen im Jahr 2015 durchschnittlich € 24.568 netto verdienten, lag das Netto-Jahreseinkommen bei türkischen StaatsbürgerInnen bei € 18.967.
Die letzte „große“ Studie, die Konsumdaten über Menschen mit türkischem Migrationshintergrund beinhaltet, stammt aus dem Jahr 2013 und wurde von der GfK Austria durchgeführt. Laut dieser Studie beläuft sich das Kaufkraftvolumen von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund auf ca. 4 Millionen Euro pro Jahr. Der Studie zufolge achten TürkInnen mehr auf die Qualität von Produkten als auf den Preis, obwohl ihnen aufgrund ihres geringeren Einkommens weniger Budget zur Verfügung steht.
Aufgrund der Tatsache, dass Menschen mit türkischem Migrationshintergrund durchschnittlich jünger sind als die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist auch die türkische Zielgruppe jünger, markenbewusst und offen für neue Produkte. Hohe Relevanz haben demnach auch Smartphones und mobiles Internet. besonders hohes Potenzial der türkischen Zielgruppe wurde zudem im Finanz- und Immobilienbereich verortet.
Weitere Spannende kulturelle Unterschiede in Zahlen
- Während bei Österreicherinnen (Geburtsland Österreich) die durchschnittliche Kinderanzahl pro Frau bei 1,41 liegt, bekommen Frauen aus der Türkei (Geburtsland Türkei) im Schnitt 2,37 Kinder.
- Bei der Geburt des ersten Kindes sind Österreicherinnen durchschnittlich 29,7 Jahre alt, während Türkinnen ihr erstes Kind mit 24,5 Jahren bekommen.
- Die Hälfte (50 %) aller Kinder von Österreicherinnen ist unehelich geboren. In starkem Gegensatz dazu stehen nur 4 % uneheliche Kinder von Frauen, deren Geburtsland in der Türkei ist.
Mediennutzungsverhalten der türkischstämmigen Zielgruppe
Das Mediennutzungsverhalten der türkischen MigrantInnen wurde zuletzt umfassend im Jahr 2007 von der GfK Austria erhoben. Daher muss bei den folgenden Daten beachtet werden, dass die exakten Zahlen bereits veraltet sind. Ein genereller Trend lässt sich aber daraus trotzdem erkennen.
- Fernsehen
Generell ist festzuhalten, dass Fernsehen bei der türkischen Community einen sehr hohen Stellenwert hat. 77 % der 2007 befragten TürkInnen sehen täglich fern und sind damit im Vergleich zu anderen Migrantengruppen in Österreich „Vielseher“. 58 % sehen mehr als zwei Stunden pro Tag fern. In der Studie zeigte sich, dass 65% der in Österreich lebenden Türken ihre Fernsehprogramme über digitalen Satellit empfangen. Diese starke Ausrichtung auf den digitalen Satellitenempfang entsteht durch das Interesse, auch türkische Sender zu empfangen.
Ein Beispiel für einen türkischen Fernsehsender, der häufig in Österreich konsumiert wird ist Kanal 7. Auf diesem Sender gibt es sonntags ein eigenes Österreich-Fenster, bei dem in der Sendung Avusturya Günlügü aus der türkischen Community in Österreich berichtet wird. - Radio
Die im Rahmen der Gfk Studie im Jahr 2007 erhobene Nutzung von österreichischen Radiosendern zeigte, dass türkische MigrantInnen wenig Radio hören. Knapp 30 % gaben an, täglich Radio zu hören. - Tageszeitungen
Laut der 2007 durchgeführten Studie war die am häufigsten gelesene deutschsprachige Tageszeitung von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund die Kronen Zeitung (34 %) und die meistgelesene türkische Zeitung Hürriyet (ebenfalls 34 %). - Magazine
Abgesehen von Tageszeitungen gibt es in Österreich zahlreiche Print-Magazine, die sich – unter anderem – an die türkische Zielgruppe wenden. Dazu zählen beispielsweise biber und Gazete BUM. Neben den Print-Ausgaben der Magazine sind auch deren Online-Auftritte und Social-Media Seiten bei der Zielgruppe beliebt. Wie aus der Gfk Austria Studie aus dem Jahr 2013 hervorgeht, spielen Smartphones und mobiles Internet eine große Rolle in der türkischen Community. Daher ist Onlinewerbung – insbesondere auf Social Media – ebenfalls gut geeignet, um Personen mit türkischem Migrationshintergrund zu erreichen.
brainworker Tipp: Abgesehen von klassischem „Ethnomarketing“ mit Werbung und Advertorials in Medien kann die türkische Community in Österreich auch mit Sampling- und Promotionaktionen bei „Hot-Spots“ oder über Lokaltouren durch Vereine und Restaurants erreicht werden. Ein weiterer spannender Kanal für zielgruppengenaue Ansprache ist Werbung auf türkischen Hochzeiten.
Quellen:
Bräuhofer, M. (2011). Ethnomarketing in Österreich | das Praxishandbuch
Statistik Austria. Bevölkerung am 1.1.2017 nach detaillierter Staatsangehörigkeit und Bundesland www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=064287 [letzter Zugriff: 12. Oktober 2017]
Statistik Austria. Bevölkerung am 1.1.2017 nach detailliertem Geburtsland und Bundesland
www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=023841 [letzter Zugriff: 12. Oktober 2017]
Statistik Austria. Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Überblick (Jahresdurchschnitt 2016)
www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=033240 [letzter Zugriff: 12. Oktober 2017]
MA17 Integration und Diversität. Wiener Bevölkerung 2016 nach Herkunft https://www.wien.gv.at/menschen/integration/grundlagen/daten.html [letzter Zugriff: 12. Oktober 2017]
MA23 Wirtschaft, Arbeit, Statistik. Wien in Zahlen https://www.wien.gv.at/statistik/pdf/wieninzahlen-2017.pdf [letzter Zugriff: 12. Oktober 2017]
Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen. Türkische Community – von Vielfalt geprägt http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2016/07/25/tuerkische-community-von-vielfalt-gepraegt/ [letzter Zugriff: 17. Oktober 2017]
Österreichischer Integrationsfonds. Islam in Österreich https://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/monographien/islam-in-oesterreich/ [letzter Zugriff: 18. Oktober 2017]
GfK Austria. 2013. Konsumverhalten türkischer MigrantInnen in Österreich http://www.cash.at/uploads/media/GfK_Charts_Tuerkische_MigrantInnen.pdf [letzter Zugriff: 19. Oktober 2017]
GfK Austria. 2007. Migranten und Fernsehen in Österreich 2007 http://mediendaten.orf.at/c_studien/Migranten_Fernsehen_2007.pdf [letzter Zugriff: 21. Oktober 2017]
Foto
Titelbild: © falco (pixabay User: falco), Lizenz: CC0 Creative Commons. URL: https://pixabay.com/photo-775939/
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