In diesem Teil unserer Serie „Zielgruppen Insights“ präsentieren wir gleich drei Communities, die häufig als eine zusammengefasst werden. Warum das so ist und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede Menschen aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien haben, erklären wir in diesem Blogbeitrag.
Unter dem Begriff „BKS-Community“ werden Menschen, die aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien kommen, zusammengefasst. Meist wird der Begriff noch breiter verwendet, sodass allgemein Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien gemeint sind (dazu gehören beispielsweise auch Montenegro und Mazedonien). In einigen Bereichen ist es auch durchaus sinnvoll, ähnliche Kulturen zusammenzufassen.
Um zu zeigen, dass die Zusammenfassung zu „BKS“ in vielen Bereichen auch sehr problematisch sein kann, möchten wir zunächst zwei Mythen aufklären.
Mythos 1:
„Alle Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien sprechen dieselbe Sprache.“
Die Sprachen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch unterscheiden sich nur in kleinen Feinheiten voneinander, trotzdem handelt es sich offiziell um eigenständige Sprachen und „BKS“ ist – anders als häufig vermutet – keine Sprache. Alle drei Sprachen werden unabhängig von den heutigen Ländergrenzen gesprochen. Viele – vor allem jüngere Menschen – schätzen die Gemeinsamkeiten der Sprachen und bezeichnen diese als „Naš jezik“ (= „unsere Sprache“).
In Bosnien-Herzegowina zählen neben Bosnisch auch Kroatisch und Serbisch zu den Amtssprachen.
In der Serbischen Standardsprache ist die Schrift offiziell kyrillisch, im Alltag und in den Medien wird aber häufig lateinische Schrift verwendet. In Bosnien-Herzegowina und Kroatien wird ausschließlich lateinisch geschrieben.
Mythos 2:
„In der „BKS-Community“ gibt es keine religiösen Unterschiede“
In der „BKS-Community“ zeigt sich eine deutliche religiöse Vielfalt, die historisch begründet werden kann. Während die Mehrheit der Menschen, die sich der serbischen Volksgruppe zuordnen, serbisch-orthodox ist, sind die meisten KroatInnen römisch-katholisch. BosniakInnen haben im Gegensatz dazu mehrheitlich muslimischen Glauben.
Die sprachlichen und religiösen Unterschiede müssen sämtlichen Kommunikationsprozessen mit MitarbeiterInnen, BewerberInnen und KundInnen berücksichtigt werden, da die „BKS-Community“ keine homogene Gruppe ist.
Die Balkan-Länder – eine konfliktbehaftete Geschichte
Um die Community und die kulturellen Hintergründe sowie die Beziehungen zwischen den Ländern besser zu verstehen, hilft ein historischer Überblick auf die Ereignisse am Balkan:
1878-1908 | Bosnien kam nach Herrschaft des Osmanischen Reichs unter österreich-ungarische Verwaltung –> Bosnische Annexionskrise |
11. Jh. – 1918 |
Kroatien war unter ungarischer Vorherrschaft |
1914 | Kriegserklärung von Österreich-Ungarn gegen Serbien (wegen serbischer Unterstützung des Attentäters von Franz Ferdinand) –> 1. Weltkrieg bis 1918 |
1918-1941 | „Vereinigtes Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ bzw. Königsdiktatur (inkl. Bosnien-Herzegowina und Makedonien) unter der Führung der serbischen Dynastie –> interne Konflikte zwischen Serben und Kroaten und den unterschiedlichen Konfessionen |
1941 | Besetzung durch deutsche Wehrmachtsverbände
–> Kroatien und Teile des heutigen Bosnien-Herzegowina kooperierten und wurden als „Unabhängiger Staat Kroatien“ unabhängig: Ausrufung des Ustascha Staats unter Ante Pavelic –> radikal-faschistischer Staat, der sich gewaltsam gegen Antifaschisten, Serben, Juden und Sinti richtete –> Widerstand durch Kommunisten unter der Führung von Josip Tito –> Serbien leistete Widerstand: einerseits kommunistisch orientiert unter Josip Broz („Tito“), andererseits mit einer groß-serbisch orientierten, nationalistischen Bewegung |
1991-1992 | Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Slowenien und Makedonien erklären ihre Unabhängigkeit –> Gründung „Bundesrepublik Jugoslawien“ bestehend aus Serbien und Montenegro |
1992-1995 | Bürgerkrieg zwischen Kroaten und Bosniern und den Anhängern „Groß-Serbiens“ |
2000-2003 | Politischer Wechsel in der Bundesrepublik Jugoslawien –> Aufhebung der EU-Sanktionen, Wirtschaftshilfe, Errichtung einer Freihandelszone zwischen Nachbarländern |
2003 | Entstehung des Staatenbundes „Serbien und Montenegro“ |
2006 | Unabhängigkeitserklärung Montenegro nach Volksbefragung |
2012 | Serbien bekommt Status als EU-Beitrittskandidat |
2013 | Kroatien tritt der EU bei |
2016 | Bosnien-Herzegowina bekommt Status als EU-Beitrittskandidat |
Gastarbeitergeschichte
Wegen eines massiven Arbeitskräftemangels Anfang der 1960er Jahre in Österreich wurden gezielt Arbeitskräfte für Fabriken und Baustellen aus dem damaligen Jugoslawien nach Österreich abgeworben. 1966 trat schließlich das Raab-Olah-Abkommen als offizielles Abkommen zur Beschäftigung jugoslawischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich in Kraft. 1971 lebten bereits 93.337 jugoslawische StaatsbügerInnen in Österreich und 1991 waren es schon 197.886 Personen.
Daher stellten Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien lange die größte MigrantInnengruppe in Österreich dar. Diese MigrantInnen und ihre Nachkommen spielen eine bedeutende Rolle als BewerberInnen und MitarbeiterInnen Ihres Unternehmens, aber auch als KonsumentInnen. Dabei gilt es für die österreichische Wirtschaft, das Potential zu nutzen und kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen.
Menschen aus der „BKS-Community“ als BewerberInnen und MitarbeiterInnen
Tipps für HR-Prozesse mit BewerberInnen und MitarbeiterInnen aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien
MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund aus dem ehemaligen Jugoslawien bringen zahlreiche Vorteile für Unternehmen, da sie sowohl sprachlich als auch kulturell auf KundInnen aus ihrer Community eingehen können.
Um die passenden MitarbeiterInnen zu finden und einen kulturfairen Recruiting-Prozess zu gewährleisten, müssen klassische Vorgehensweisen aber häufig überdacht und angepasst werden.
Beispielsweise ist die Erreichbarkeit von Menschen mit Migrationshintergrund über „klassische Kanäle“ mitunter schwierig. Eine bedeutsame Rolle spielen bei Menschen aus der „BKS-Community“ Empfehlungen aus persönlichen Netzwerken. Dieser Multiplikatoreneffekt sollte bei sämtlichen Personalbeschaffungsprozessen mitbedacht und genutzt werden.
Menschen mit Migrationshintergrund werden häufig allein schon aufgrund von ausländisch klingenden Namen diskriminiert. Diese Diskriminierung kann gleich beim Bewerbungsprozess umgangen werden, indem ein kulturfaires Auswahlverfahren eingeführt wird. Das kann, unter anderem, durch ein Mehr-Augen-Prinzip, standardisierte Checklisten, anonymisierte Bewerbungsunterlagen und zahlreiche weitere Maßnahmen erfolgen.
Auch auf bestehende MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien sollte im Sinne einer positiven ArbeitnehmerInnenbeziehung Rücksicht genommen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit sind die verschiedenen Fest- und Feiertage von unterschiedlicher Relevanz. Während es bosnischen MitarbeiterInnen möglicherweise aufgrund ihres muslimischen Glaubens nichts ausmacht, rund um die Weihnachtsfeiertage zu arbeiten, möchten kroatische MitarbeiterInnen, die römisch-katholisch sind, zur Weihnachtszeit eher Urlaub haben. Umgekehrt, möchten die muslimischen MitarbeiterInnen vielleicht eher zu den Feierlichkeiten im Ramadan frei haben. Die Bedeutung der Feiertage sollte mit allen MitarbeiterInnen individuell geklärt und in der Urlaubsplanung berücksichtigt werden.
Menschen aus der „BKS-Community“ als KonsumentInnen
In Bezug auf die Konsumdaten von Menschen mit Migrationshintergrund im ehemaligen Jugoslawien gibt es zahlreiche signifikante Unterschiede, die größtenteils kulturell bedingt sind.
Während die Haushaltsgröße in Österreich bei Personen ohne Migrationshintergrund bei durchschnittlich 2,1 Personen pro Privathaushalt liegt, haben Haushalte von Menschen mit Migrationshintergrund im ehemaligen Jugoslawien durchschnittlich rund 2,8 Mitglieder. Das bedeutet für Marketing- und Produktentwicklungsaktivitäten, dass beispielsweise Packungsgrößen an diese Zielgruppen angepasst werden müssen.
Mit der Haushaltsgröße korreliert auch die zur Verfügung stehende Wohnfläche pro Person. Menschen ohne Migrationshintergrund haben in Österreich im Schnitt 49m² pro Person zur Verfügung, während Menschen mit Migrationshintergrund im ehemaligen Jugoslawien nur rund 25m² Wohnfläche pro Person haben. Nur rund 20% der Menschen mit Migrationshintergrund im ehemaligen Jugoslawien haben Wohneigentum in Form einer Wohnung oder eines Hauses, während rund 76% in einer Mietwohnung leben. Im Gegensatz dazu haben 55% der Personen ohne Migrationshintergrund Wohnungseigentum und 35% wohnen in Mietwohnungen.
brainworker Tipp: Abgesehen von klassischem „Ethnomarketing“ mit Werbung und Advertorials in Medien kann die „BKS-Community“ in Österreich auch mit Sampling- und Promotionaktionen bei „Hot-Spots“ oder über Lokaltouren durch Vereine und Restaurants erreicht werden.
Zum Weiterlesen
Sie wollen alles über die MigrantInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien im Detail erfahren und die einzelnen Communities und deren Besonderheiten kennenlernen?
Lesen Sie auch unsere Beiträge über:
Die bosnische Community in Österreich
Die kroatische Community in Österreich
Die serbische Community in Österreich
Quellen:
Bräuhofer, M. (2011). Ethnomarketing in Österreich | das Praxishandbuch
Statistik Austria. Bevölkerung am 1.1.2017 nach detaillierter Staatsangehörigkeit und Bundesland www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=064287 [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
Statistik Austria. Bevölkerung am 1.1.2017 nach detailliertem Geburtsland und Bundesland
www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=023841 [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen. Serbische Community: Rund 300.000 Personen. http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2016/04/19/serbische-community-rund-300-000-personen/ [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen. Kroatische Community: Rund 100.000 Personen. http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2015/11/03/kroatische-community-rund-100-000-personen/ [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen. Bosnische Community: Mehr als 200.000 Personen. http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2017/01/09/bosnische-community-mehr-als-200-000-personen/ [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
Statistik Austria. Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Überblick (Jahresdurchschnitt 2016) www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=033240 [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
MA17 Integration und Diversität. Wiener Bevölkerung 2016 nach Herkunft https://www.wien.gv.at/menschen/integration/grundlagen/daten.html [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
MA23 Wirtschaft, Arbeit, Statistik. Wien in Zahlen https://www.wien.gv.at/statistik/pdf/wieninzahlen-2017.pdf [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
GfK Austria. 2007. Migranten und Fernsehen in Österreich 2007 http://mediendaten.orf.at/c_studien/Migranten_Fernsehen_2007.pdf [letzter Zugriff: 29. Jänner 2018]
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