Die Anzahl interkultureller Begegnungen nimmt ständig zu, zeitgleich steigt auch die Komplexität und die Ansprüche, mit der in unserer Gesellschaft und in Unternehmen interkulturelle Begegnungen gelebt und bewältigt werden. Agieren Unternehmen hauptsächlich im lokalen Markt, bedeutet dies nicht, dass interkulturelle Kompetenz einen nicht so großen Stellenwert haben, denn die steigende Diversität der Belegschaft in unserer Gesellschaft sowie in Unternehmen erfordert ebenso globales Denken und Handeln wie in multinationalen Unternehmen (Covarrubias Venegas & Juriga 2017).
Jedoch finden sich in multinationalen Unternehmen per Definition tendenziell mehr multikulturelle Teams, welche u.a. auch die Aufgabe haben durch ihren diversen Hintergrund einzigartiges Know-how aufzubauen, das beispielsweise dazu dient neue Standorte erfolgreich aufzubauen, Kundenservices der Konkurrenz zu übertreffen und u.a. lokale Ressourcen zu sichern (Hajro et al. 2017) , aber genauso um regional unterschiedliche Interessen in einem multinationalen Konzern zu berücksichtigen oder um die Akzeptanz von Arbeitsergebnissen in verschiedenen Zielländern zu sichern (Zeutschel & Thomas 2003).
Was gibt es bei multikulturellen Teams zu beachten?
Obgleich diverse Teams eine Reihe von beachtlichen Potenzialen bergen, wird jedoch auch oft diskutiert, dass der Konsensbereich diverser Teams oft klein ist und daher im Umkehrschluss besonders viel Zeit zur Diskussion gemeinsamer Standards der Aufgabenbearbeitung und des Umgangs miteinander aufgewendet werden muss (Zeutschel & Thomas 2003). Zusätzlich zu allen Teamdynamiken kommen laut der Autoren folgende Aspekte bei der Erarbeitung gemeinsamer Standards noch hinzu:
- Der Faktor Sprache, die Arbeitssprache wird nicht oder unterschiedlich gut beherrscht
- Es gibt keinen bzw. wenig Konsens über Werthaltungen, wie beispielsweise Eigenverantwortung, Wettbewerb, Kritikbereitschaft, Harmonie in der Gruppe oder (In-) Formalität von Kontakten
- Das Verständnis von Teamrollen ist unterschiedlich, zum Beispiel hinsichtlich Führungsverhalten oder Bring- und Holschuld von Informationen
- Die Arbeitsstile, die sich etwa in Problemlösestrategien, im Umgang mit Zeit oder im Besprechungsmanagement zeigen, müssen erst erkannt und dann aufeinander abgestimmt werden (Zeutschel & Thomas 2003).
Diversity-Klima und Wissensaustausch – worum geht’s?
Die multikulturelle Zusammensetzung von Teams bringt natürlich auch Vorteile, z.B. an Wissen und Innovationsmöglichkeiten, welches nationale und geographische Grenzen übersteigt mit sich. Jedoch zeigte eine in Zentral- und Osteuropa durchgeführte Studie, dass während multinationale Unternehmen auf die Gewinnung und Bindung eines diversen Talent-Pools viel Wert legen, die kritische Auseinandersetzung mit dem organisationalen Diversity-Klima oft nicht zureichend erfolgt. Das organisationale Diversity-Klima ist die Wahrnehmung über die Inklusion und Integration von Mitgliedern unterrepräsentierter (sozialer) Gruppen in der Belegschaft (Hajro et al. 2017).
Forschung zu Diversity-Klimata in multinationalen Unternehmen bezieht sich bis dato meist auf Gender- oder ethnische Aspekte fokussieren bzw. maximal auf einzelne Unternehmensbeispiele. Daher stand für Hajro et al. (2017) am Anfang die Frage, wie das Diversity-Klima von multinationalen Unternehmen Wissensaustausch-Prozesse in multikulturellen Teams beeinflusst und wie sich der ebengenannte Wissensaustausch auf die team effectiveness (Performance) des Teams auswirkt. Mit team effectiveness ist in diesem Zusammenhang das Ausmaß gemeint, mit dem ein Team seine Ziele erreicht.
So wird die Effizienz eines multikulturellen Teams gesteigert
Hajro et al. (2017) beschreiben in ihrer Studie den kausalen Zusammenhang zwischen organisationalem Diversity-Klima und Wissensaustausch in 48 Teams aus 11 multinationalen Unternehmen indem die Aktivitäten, Handlungen, Prozesse und das Verhalten der untersuchten Teams tiefgehend analysiert wurden. Die Erkenntnis, dass rein kooperatives Verhalten nicht der beste Weg für multinationale Unternehmen ist, um erfolgreich zu sein, sondern es gilt einen Mittelweg zwischen kooperativen und bestimmten bzw. ausdrücklichem (assertive) Wissensaustausch zu finden, hat vielfältige Implikationen für Führungskräfte von multikulturellen Teams. Führungskräften multikultureller Teams müssen nun das vorhandene Potenzial möglichst vollständig bei der Problembearbeitung zum Einsatz bringen können, was neben Führungs- und Teamkompetenz auch interkulturelle Kompetenz erfordert (Zeutschel & Thomas 2003).
Welche Rolle Führungskräfte spielen
Eine Studie, die sich Diversity-Daten von über 800 US-Unternehmen über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten widmete, kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass oktroyierte Diversity-Programme und Trainings weniger Verbesserung beim Diversity-Klima erzielten – im Gegenteil, diese wurden sogar negativer beurteilt. Veränderungen in Unternehmen konnten eher beigeführt werden, wenn
- einerseits die Führungskräfte in Programme involviert waren und es ihre Aufgabe war, Lösungen diesbezüglich zu finden
- durch Job-Rotations- bzw. Mentoring-Programme, die Kontakt zwischen verschiedenen Teams förderten
- Zudem zeigte es sich als sinnvoll, social accountability, also eine soziale Rechenschaftsebene einzuführen, wie z.B. Diversity-TrainerInnen, vor denen sich Teams mit ihren Performances rechtfertigen konnten und dadurch aber fairer behandelt wurden (Dobbin & Kalev, 2016).
Hajro et al. (2017) wiederum stellen fest, dass eben der Mittelweg zwischen kooperativem und bestimmtem Wissensaustausch sowohl bei Team-Mitgliedern als auch Führungskräften dazu führt, dass zum Einen stabile Beziehungen zwischen den Team-Mitgliedern aufgebaut werden, aber auch Aufgaben und Ziele besser eingehalten und akzeptiert werden und dies auch unter verstärktem Einsatz – sprich, das Team ist demnach tatsächlich „highly effective“, sei es dass das Budget eingehalten wird, die Kundenbedürfnisse besser erfüllt werden, vertraglich definierte Ziele besser eingehalten werden oder neue Produkte oder Innovationen entwickelt werden.
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Veranstaltungsempfehlung SIETAR Austria Culture Talk (language english): Mittwoch, 10. Mai 2017/18:30 Uhr @WU Wien
„Know how” – boost the effectiveness of diverse teams. Knowledge management in multicultural Teams.
Based on 143 in-depth interviews and extensive observations of team interactions that occurred in 48 multinational teams from 11 companies Dr. Aida Hajro will elaborate how different types of diversity climates impact knowledge exchange processes in these teams and how this in turn results in low or high team effectiveness.
Speaker: Dr. Aida Hajro, Senior Lecturer in International Business at Brunel University London. More information here!
www.sietar.at Invitation and more information here. Contact info@sietar.at
Literaturempfehlungen:
Covarrubias Venegas, Barbara/Juriga, Andrej (2017): Cultural Intelligence – die kritische Kompetenz des 21. Jahrhunderts. Internationale Märkte, Kultur und Diversität, online hier abrufbar.
Dobbin, Frank/ Kalev, Alexandra (2016): Why diversity programs fail, Harvard Business Review, July-August issue (pp.52–60), online hier abrufbar.
Hajro, Aida/ Gibson, Cristina B./ Pudelko, Markus (2017): Knowledge exchange processes in multicultural teams: Linking organizational diversity climates to teams´effectivness. Academy of Management Journal, Vol. 60, No. 1, 1–28.
Zeutschel, Ulrich/ Thomas, Alexander (2003): Zusammenarbeit in multikulturellen Teams. Wirtschaftspsychologie aktuell, Heft 2, S. 31-39, online hier abrufbar.
Autorinnen:
Barbara Covarrubias Venegas ist Forscherin und Lektorin am Institut für Personal & Organisation der FHWien der WKW. Sie studierte und arbeitete in Österreich, Spanien, Italien, Chile und Mexiko. Nach ihrer Tätigkeit als Marketing-Beraterin im Tourismusbereich, und als Bereichsleiterin im Food & Beverage für die größte südamerikanische Casinokette, spezialisierte sie sich auf Trainings und Beratungen im internationalen Kontext.
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Saskia Lackner ist als Lektorin und Trainerin u.a. an verschiedenen Fachhochschulen tätig, und unterstützt neuerdings die Kommunikationsabteilung der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst. Saskia ist Diplom-Psychologin mit dem Schwerpunkt Interkulturelle Psychologie sowie einem Zusatzstudium „Internationale Handlungskompetenz“ der Universität Regensburg. Von 2012 bis Jänner 2017 war Saskia wissenschaftliche Mitarbeiterin & Lektorin am Institut für Kommunikation, Marketing & Sales der FHWien.
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