Nicht nur in Führungsetagen oder Entscheidungsgremien werden relevante Organisationsentscheidungen oft innerhalb von „Männerbünden“ getroffen, die gläsernen Decken für Frauen bleiben somit erhalten. Dabei stellt Diversity Management einen Managementansatz dar, der auf die Wahrnehmung, Förderung und Nutzung der Vielfalt von MitarbeiterInnen sowie auch relevanter Anspruchsgruppen der gesamten Organisation abzielt (Bendl et al. 2012).
Vielfalt, insbesondere auch Gender als eine Dimension, ist jedoch auch stark von der Branche abhängig, so ist der Frauenanteil in Österreich in technischen Branchen noch immer sehr gering (nur knappe 15%, siehe SORA Erhebung zu „Frauen und Mädchen in technischen Berufen“, näheres online hier).
Hierzu ein paar Eckdaten:
- Frauen in technischen Berufen schließen seltener eine Lehre ab
- Auch in technisch gewerblichen Schulen stellen Mädchen nur 12% aller SchülerInnen, aber 97% jener von Modeschulen.
- Nur rund 20% der AbsolventInnen von technisch-ingenieurwissenschaftlichen Studien sind weiblich.
- Vollzeitbeschäftigte Frauen in technischen Berufen verdienen weniger als ihre männlichen Kollegen.
- Frauen in technischen Berufen gelingt der Aufstieg auf der Karriereleiter seltener als Männern. Nur 6% aller Frauen sind in ihrem Betrieb Führungskräfte – das schaffen immerhin 13% der Männer. (Quelle: Technikqueen.at)
Die Ursachen wurden von SORA qualitativ untersucht und können wie folgt zusammengefasst werden:
es fehlen noch immer weitestgehend Role-Models, also reale weibliche Vorbilder, die auch durch öffentliche Präsenz die Machbarkeit und Normalität eines Werdegangs in technischen Berufen für Mädchen und junge Frauen aufzeigen. Es bedarf weiterhin auch positiver Anreize, wie bspw. das aktive Anwerben von weiblichen Lehrstellensuchenden und Schnupperangebote für Mädchen, aber auch Mentoring-Programme, welche den Berufsein- und aufstieg fördern können. Als Basis, um einen höheren Frauenanteil in technischen Branchen zu erreichen, bedarf es jedoch eines grundlegenden Umdenkens und insbesondere einer Veränderung der Unternehmenskultur. Insbesondere wenn man neueste Forschungserkenntnisse in Betracht zieht, ist der noch geringere Frauenanteil in Top-Management Positionen beunruhigend: denn eine kürzlich vom IMF (International Monetary Found) durchgeführte Studie zeigt auf, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Gesamtkapitalrendite und dem Anteil an Frauen in Managementpositionen gibt. Dieser Zusammenhang ist stärker in Branchen, welche generell einen größeren Frauenanteil aufweisen (Christiansen 2016).
Geht nicht, gibt’s nicht – geht doch! Gender Diversity Netzwerk bei Infineon
Während die Wirkung einzelner Maßnahmen nur geringe Nachhaltigkeit zeigt, erreichen top-down verordnete Veränderungsprogramme mitunter nicht die organisationale Basis. Eine vom Fraunhofer Institut durchgeführte Studie widmete sich dem Thema Karrierebrüche und Frauen: die zentrale Erkenntnis ist, dass die Unternehmenskultur „DIE“ Ursache für Karrierebrüche von Frauen ist. Einzelmaßnahmen, welche einer besseren Vergleichbarkeit von Beruf und Familie dienen, bzw. Mentoringprogramme sind wichtige Aspekte – reichen jedoch nicht aus, um Karrierebrüche zu vermeiden. Hierfür bedarf es eines umfassenden Kulturwandels (Kaiser et al 2012). Vor diesen Herausforderungen beschloss die Infineon Technologies AG in Österreich und Deutschland ein Gender-Diversity-Netzwerk zu etablieren, welches stark mit einem kulturellen Transformationsprozess verbunden war, um den Frauenanteil im Unternehmen zu erhöhen und ein Netzwerk für alle zu schaffen (Liebhart/Alten 2017). Wie bei allen organisationalen Veränderungen bedarf es – wenn es beispielsweise um den Frauenanteil, bzw. wie im Fall von Infineon die Zielsetzung den Frauenanteil in Führungspositionen auf 15 bzw. 20 % zu erhöhen – ein klares commitment vom Vorstand, bzw. der Top-Management-Ebene. Die Analyse zeigte auch, dass der Frauenanteil aufgrund von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Österreich und Deutschland deutlich geringer ist als etwa in Asien.
Was waren also die Eckpfeiler des Gender-Diversity-Netzwerkes?
- Kulturveränderung
- Moderne HR-Prozesse
- Role Models
- Satellitennetzwerke an den Standorten
- Externe Begleitung und Evaluation zur Steuerung und Optimierung der Prozesse
Um die Kultur auch in dem standortübergreifenden Netzwerk konzernweit zu leben, galt es Einstellungen, Werte, Prozesse und Routinen des eigenen Unternehmens kritisch zu reflektieren und konzernweite, gendersensibilisierte Prozesse unter Berücksichtigung lokaler Bedürfnisse und Besonderheiten zu entwickeln und zu etablieren. Insbesondere das internationale, standortübergreifende Personalmanagement spielte für den Transformationsprozess eine bedeutende Rolle als Treiber von Diversity (Liebhart/Alten 2017).
Veranstaltungsempfehlung SIETAR Austria Culture Talk: Mittwoch, 22. März 2017/18:30 Uhr
Vortragende: Sigrun Alten, Diversity-Managerin, Infineon Technologies Austria AG & Dr.in Ursula Liebhart,Professorin für Personal und Organisation an der FH Kärnten
Einladung und nähere Informationen hier! info@sietar.at
Literaturempfehlungen:
Kaiser, Simone/Hochfeld, Katharina/Elena Gertje, Elena/ Schraud, Martina (2012): Unternehmenskultur verändern – Karrierebrüche vermeiden. Studie durchgeführt vom Fraunhofer Institut, zugegriffen am 8.3.2017, online hier.
Bendl, Regine/Hanappi-Egger, Edeltraud/ Hofmann, Roswitha (2012): Diversität und Diversitätsmanagement: Ein vielschichtiges Thema. In: Bendl, Regine/Hanappi-Egger, Edeltraud/ Hofmann, Roswitha (Hrsg.),: Diversität und Diversitätsmanagement: 11–21. Wien: Facultas Verlag: Wien, 11-21.
Liebhart, Ursula/ Alten, Sigrun (2017, in Druck): Gender- Diversity- Netzwerk als Instrument zur Entwicklung einer Gender- Diversity- Kultur. In: Covarrubias Venegas, Barbara/Thill, Katharina/Domnanovich, Julia: Personalmanagement – Internationale Perspektiven. Springer Gabler.
Christiansen,Lone/ Lin, Huidan/ Pereira, Joana/ Topalova, Petia /Turk, Rima (2016): Gender Diversity in Senior Positions and Firm Performance: Evidence from Europe. IMF (International Monetary Found) Working Paper WP/16/50. Zugegriffen am 8.3.2017, online hier.
Gender Diversity Netzwerk bei Infineon. Working paper. zugegriffen am 8.3.2017, online hier.
Autorinnen:
Barbara Covarrubias Venegas ist Forscherin und Lektorin am Institut für Personal & Organisation der FHWien der WKW. Sie studierte und arbeitete in Österreich, Spanien, Italien, Chile und Mexiko. Nach ihrer Tätigkeit als Marketing-Beraterin im Tourismusbereich, und als Bereichsleiterin im Food & Beverage für die größte südamerikanische Casinokette, spezialisierte sie sich auf Trainings und Beratungen im internationalen Kontext.
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Saskia Lackner ist als Lektorin und Trainerin u.a. an verschiedenen Fachhochschulen tätig, und unterstützt neuerdings die Kommunikationsabteilung der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst. Saskia ist Diplom-Psychologin mit dem Schwerpunkt Interkulturelle Psychologie sowie einem Zusatzstudium „Internationale Handlungskompetenz“ der Universität Regensburg. Von 2012 bis Jänner 2017 war Saskia wissenschaftliche Mitarbeiterin & Lektorin am Institut für Kommunikation, Marketing & Sales der FHWien.
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