In der Coaching-Praxis stellt sich oft die Frage, wie in interkulturellem Kontext durchgeführte Coachings durch wirtschaftsorientierte Kulturmodelle wie z.B jenes von Geert Hofstede (siehe unten) ergänzt werden können. Speziell Fach- und Führungskräfte, die ins Ausland entsandt werden, sind – nicht zuletzt aufgrund einer großen Erwartungshaltung seitens der entsendenden Organisation – mit der Situation vor Ort vielfach überfordert und fühlen sich allein gelassen. Hier kann Interkulturelles Coaching (IKC) entscheidende Hilfestellung bieten.
Durch die Globalisierung erforderliches geo- oder polyzentrisches, also in der einen oder anderen Form kulturintegrierendes Denken erhöht die Deutungsoptionen im Coaching. Es erfordert das Erfassen von Situationen und Systemen (aktueller Kontext), Zugehörigkeiten zu Kulturkreisen (Sozialisierung) und individuellen emotionalen Zuständen (psychologisch) gleichzeitig und ist daher höchst komplex. Das bedeutet, dass man idealerweise mit mehreren Kulturbegriffen zugleich arbeitet und setzt voraus, dass die professionelle Begleitperson – also der Coach oder die Coachin – über kulturkreisspezifisches Fachwissen ebenso verfügt wie über Kulturmodelle Bescheid weiß. IKC kann somit nicht von allen Coachinnen und Coaches gleichermaßen durchgeführt werden. Haltung, Rollenwechsel und Methoden müssen besonders variiert werden.
Unterstützende Forschungsergebnisse
Entsprechende Fragestellungen, bezogen auf die individuelle Situation von Coachees, können Selbstreflexion sowie Kulturverständnis fördern. Diese können durch Forschungsergebnisse und Kulturdimensionen zum Beispiel von Geert Hofstede (er analysierte als erster auf breiter Basis die Zusammenhänge zwischen nationalen Kulturen und Unternehmenskulturen) sowie die GLOBE-Studie (zum Thema effiziente Führung und Organisation) erläutert und „legitimiert“ werden. Zur Anwendungsorientierung bietet sich u. a. das Konzept der Kulturstandards von Alexander Thomas an. Er erforschte „interkulturelle Psychologie“ bzw. beschreibt die „Mentalität“ von Kulturen.
Welche Coaching-Methoden eignen sich?
Für IKC erscheinen folgende Coaching-Methoden als besonders geeignet und vielversprechend. Die Systemische Fragetechnik (Zirkuläre Fragen) als Kernmethode, da sie sowohl Haltungen, Selbstreflexion als auch Erwartungen explizit machen kann. Zeitrahmen und Kontext sprechen weiters dafür, dass de Shazer´s Methode des lösungsorientierten Kurzzeit-Coachings ein ausgezeichnetes Werkzeug darstellt, etwa wenn es um die Vorbereitung auf Auslandsentsendungen geht. Der Systemische Führungsansatz wiederum kann ergänzend dazu beitragen, verschiedene Führungsstile in Bezug auf Kultur und Entwicklungsstand eines Systems zu interpretieren.
Weitere Coachingmethoden und Kulturmodelle können ebenfalls geeignet sein. Entscheidend ist, dass Interkulturelles Coaching bereits vor dem tatsächlichen Arbeitseinsatz sinnvoll und notwendig ist. Es gibt den Kundinnen und Kunden beizeiten Sicherheit, der Aufgabe gewachsen zu sein. Idealerweise wird die Vorbereitung durch laufendes Coaching und Unterstützung bei konkreten, kurzfristigen Problemen ergänzt.
Literaturempfehlungen:
- Nazarkiewicz, Kirsten / Krämer, Gesa: Handbuch Interkulturelles Coaching, Vandenhoeck & Ruprecht, 2012
Autor: SIETAR Austria-Mitglied
Mag. Konrad Noé-Nordberg
Interkultureller Trainer, diplomierter Coach, Unternehmensberater und Lektor. Arbeitsschwerpunkte Organisations- und Personalentwicklung, Führung und Vertrieb. Über 30 Jahre internationale Erfahrung.
Leave a Comment